Als Mama macht man sich das Leben oft durch hohe Ansprüche schwer – vor allem an sich selbst. Die Figur, der Erziehungsstil, das Berufliche. Warum das so ist und wie Du trotzdem innerlich zur Ruhe kommst zeige ich Dir hier anhand meiner kleinen Perfektionismus-Entschärfungs-Strategie.
Ist eine Katze ohne Mund pädagogisch wertvoll?
Bevor meine Tochter Maga auf die Welt gekommen ist, hatte ich ganz klare Vorstellungen davon, wie ich ihr Großwerden begleiten würde: ohne weißen Zucker, ohne Schimpfen, frei von Barbies und anderen Spielzeugen, die eine Demonstration moderner weiblicher Fesseln sind – zumindest nach meinem Verständnis.
Mit großer Selbstverständlichkeit ging ich beispielsweise davon aus, dass die mundlose Hello Kitty, die noch nicht mal miauen kann, niemals den Weg in das Kinderzimmer meiner Tochter finden würde.
Doch Maga machte schnell klar, dass sie da andere Auffassungen hatte. Abenteuerlich früh entflammte ihre bisher unbesiegbare Liebe für alles was pink ist und glitzert.
Ihr ganzer Stolz sind momentan ein Lillifee-Fahrrad und Hello Kitty Flip Flops, die beim Laufen blinken. Und wenn Du sie heute fragst, was sie später mal werden möchte, dann antwortet sie: „Ein Nagelstudio aufmachen!“
Perfektionismus entsteht in der Kluft zwischen machbar und unmöglich
Dass sich das Leben als Mutter nicht unbedingt so entwickeln würde, wie ich es mir als Nicht-Mutter ausgemalt hatte, ahnte ich zum ersten Mal wenige Tage nach der Geburt.
Ich stand vor dem Spiegel und konnte die Frau vor mir kaum wieder erkennen. Alles was ich sah waren riesige Stillbrüste, einen ausgeleierten Hängebauch und ein verzweifeltes Fragen in meinen Augen: „Bin ich das?“
Die Kluft zwischen dem Alltag einer Mama und dem gesellschaftlichen Ideal einer anerkennungswürdigen, selbstbestimmten Frau hatte sich in diesem Moment geöffnet. Mit Schrecken schaute ich in diesen Abgrund, der meiner Meinung nach eine wesentliche Ursache für weiblichen Perfektionismus ist.
Wie sollte ich meine alte Identität als attraktive, finanziell unabhängige Journalistin behalten und gleichzeitig meine neu geborene Tochter hingebungsvoll versorgen? Dieser Spagat war nicht machbar für mich und ich ließ die Journalistin ziehen.
Es gibt Phasen, da geben Mütter das jugendliche Aussehen, den schlanken Körper, die finanzielle Selbstbestimmtheit oder die innere Ausgeglichenheit zugunsten ihrer Kinder auf. Und ich glaube an den Tag, an dem man uns dafür statt der „Herd-Prämie“ die Heldinnen-Prämie verleiht.
Die Perfektionismus-Entschärfungs-Strategie
Bis es soweit ist, können wir lernen, unsere unerfüllbaren Ansprüche ein wenig aufzulockern. Hier sind drei Tipps für innere Zufriedenheit bei akutem Perfektionismus.
1. Gib Deine Dogmen auf
Obwohl Hello Kitty keinen Mund besitzt ist ihre Botschaft bei mir angekommen. „Mach Dich nicht verrückt!“ Ihr allgegenwärtiges Konterfeit auf Magas Flip Flops oder T-Shirts heißt noch lange nicht, dass ich erziehungstechnisch versage. Maga wird trotzdem zu einer jungen Frau mit kraftvollem Selbstausdruck heranwachsen und ich bin viel entspannter, seitdem ich mein „Niemals Hello Kitty“ Dogma und andere Dogmen aufgegeben habe.
- Manchmal möchte meine Tochter in eine Bratwurst beißen, obwohl wir vegetarisch leben und das erlaube ich ihr, ohne blöd zu gucken.
- Manchmal fluche ich einem Autofahrer in den wüstesten Schimpfwörtern hinterher, obwohl ich mich als spirituell bezeichne.
- Manchmal, wenn ich Ruhe oder Zeit brauche, darf Maga schon morgens eine ganze Conni-DVD mit Abspann anschauen, obwohl ich weiß, dass es bessere Beschäftigungen gibt.
TIPP: Gibt es Idealvorstellungen an denen Du festhältst? Bezüglich Deiner Kinder, Deines Aussehens, Deines Business, Deiner Partnerschaft, Deiner Ernährung. Such Dir ein kleines Dogma aus und frage Dich: Wie würde ich mich fühlen, wenn ich dieses Dogma ab und zu ohne schlechtes Gewissen brechen würde? Atme tief durch und genieße den Geschmack von Freiheit.
2. Gründe eine unperfekte S.O.S. Initiative mit Freundinnen
Die wichtigsten Freundinnen in meinem Leben, die an mich glauben und die mich auch in schwachen Momenten in meiner vollen Größe sehen, bezeichne ich als meinen „starken Kern“. Der Kontakt mit ihnen ist die größte Waffe gegen meinen Perfektionismus, weil wir gegenseitig voller Wertschätzung füreinander sind.
Da die meisten von uns Kinder haben ist unser Kontakt unregelmäßig. Trotzdem sind kleine Inspirationsblitze immer möglich:
Mit meiner Freundin Isabel habe ich beispielsweise vereinbart, dass wir uns in schwierigen Momenten eine kurze S.O.S. SMS schicken und uns zurück rufen sobald es passt. Nach einem kurzen Gespräch mit Isabel weiß ich wieder, dass ich mehr als genug bin und mich locker machen kann.
Mit einer anderen Freundin, Sophia, mache ich es so, dass wir ein Mal pro Woche mindestens fünf Minuten telefonieren, egal ob es passt oder nicht. Wir lassen die Kinder im Hintergrund schreien und sprechen trotzdem miteinander, selbst wenn unser Gespräch nur aus „Was hast Du gesagt. Ich hab Dich nicht verstanden?“ besteht.
TIPP: Welche Menschen gehören zu Deinem „starken Kern“? Überlege Dir, welche alltagstauglichen Vereinbarungen Du mit ihnen treffen könntest zur gegenseitigen Ermutigung.
3. Denk Dir ein (inneres) Friedensmantra aus
Es gibt eine Situation in meinem Leben, an die ich gerne zurück denke, wenn ich ins Zweifeln komme. Kurz nach Studienabschluss hatte ich mich gerade dazu entschlossen, mir keinen richtigen Job zu suchen, sondern ins kalte Wasser zu springen und mein erstes Buch zu schreiben.
Ich saß in einem Café und blätterte in einem Buch über Fördermöglichkeiten für junge Autoren. Ein Mann stolperte lautstark durch die Tür, setzte sich an den gegenüberliegenden Tisch, lächelte mir zu und als er wieder ging, sagte er im Vorbeigehen zu mir: „Ich drücke Ihnen beide Daumen, Erfolg wird Ihnen hold sein!“
Das kommt mir noch heute wie ein Zeichen des Himmels vor.
Deswegen ist „Erfolg ist mir hold“ ein Mantra für mich geworden, mit dem ich negative Gedanken vertreibe. Es klappt nicht immer sofort, aber wenn ich mich richtig hineinschwinge, dann spüre ich wie die Hoffnung und Zuversicht in mir steigt.
TIPP: Stöbere in Deiner inneren Schatzkiste nach Triumphen, Erlebnissen und Zeichen, die Dir bestätigt haben, dass Du toll bist. Mit welchem Satz könntest Du die Essenz dieser Aussagen zusammenfassen? Gibt es ein Kompliment, das Du nie vergessen hast? Nimm das erste, was Dir in den Kopf kommt und mache es zu Deinem (inneren) Friedensmantra.
Kennst Du das Gefühl, Dich mit hohen Ansprüchen unter Druck zu setzen? Was ist Dein Heilmittel? Ich freue mich, wenn Du mich und die anderen Mamas an Deinen Tipps und Erfahrungen teilhaben lässt in den Kommentaren. Bis gleich!
[…] die immer alles perfekt machen wollen. Perfektionismus kann aber auch ganz schön hinderlich sein. 3 Strategien gegen Perfektionismus findest du auf […]
Liebe Sandra, ich habe mich mal wieder so erkannt gefühlt durch deinen Artikel. Es hat mich darin bestätigt, dass es OK ist, wenn man nicht die Super-Bastel-Mama ist. Ich kann wirklich tolle Lego-Sachen bauen und Geschichten vorlesen, aber ich kann einfach nicht bastel. Darum habe ich heute beschlossen, dass es total in Ordnung ist, einen Adventskalender zu kaufen 🙂
Vielen Dank für deine Anregung.
Claudia
Da frage ich mich: „Wo sind denn die Väter und Ehemänner in eurem Leben???“
Hallo Sandra, mein Mann ist der entspanntere in unserer Partnerschaft und unterstützt mich immer gerne, meinen Perfektionismus zu verabschieden. Liebe Grüße!
Das ist ein super Artikel, Sandra! Ich glaube, diesen Perfektionismus kennt fast jeder. Jedenfalls die meisten Leute, die ich so kenne 🙂 Mir hat das Blog-Schreiben sehr dabei geholfen, den Perfektionismus ein bisschen über Bord zu schreiben. Denn irgendwann muss ich ja auch einfach mal publizieren, obwohl es sicherlich noch mehr zu recherchieren, bessere Worte zu finden oder auch eine noch passendere Illustration zu erstellen gäbe. Es ist jedenfalls sehr schön zu lesen, mit wie ähnlichen Problemen wir uns alle so „herumschlagen“. Liebe Grüsse!! Julia
Das Friedensmantra ist es . Das lieb ich. Perfektionismus kenn ich gut . 5 Planten in der Jungfrau. Er hat auch sein Vorteile , wenn man grosse leisten will und Gott im Detail sieht. Aber wenn er einfriert dann werden Mama und alles Frauen zu Eisköniginnen. Danke du schreibst wunderbar.
Das mit der Eiskönigin ist ein treffendes Bild, Durga. Die richtige Mischung macht’s. Gott im Detail zu sehen gefällt mir!
Julia, das Bloggen hilft wirklich! Würde ich auf meine perfektionistische Seite hören, dann hätte ich wahrscheinlich noch keinen einzigen Text veröffentlicht. Zum Glück haben wir unsere innere Perfektionistin durchschaut 🙂
Sandra, dein Artikel berührt mich sehr!
Oh ja, die Perfektionismus-Falle! 🙂 Mir hilft mein Mann mit seiner gelassenen Art oft, die Dinge nicht so wichtig zu nehmen, wenn es bei uns zuhause beispielsweise nicht meinen Vorstellungen entsprechend von Ordnung aussieht, oder wie er einfach die Kinder selber machen lässt, dort, wo ich schon längst eingesprungen wäre.
Dabei bin ich in den letzten sechs Jahren mit meinen Kindern schon ein großes Stück entspannter geworden. Was sich einfach gut anfühlt!
Bei uns ist das Hello Kitty Pendant Star Wars, und ich finde meinen Sohn damit richtig cool. Auch lasse ich ihn so oft es geht einfach Junge sein – kämpfen und laut sein. Dann ist er viel ausgeglichener, wenn er sich ausgetobt hat und ich bin es auch. Wert auf schön ausgemalte Bilder, wie sie die Kindergärtnerinnen gerne von ihm hätten, lege ich dabei keinen. Das dürfen die Mädchen übernehmen 😀
Ich kann mir Deinen Sohn bildlich vorstellen, Petra. Ein echter Sternen-Junge. Mit einer Sternen-Mama 🙂
Liebe Sandra,
Toller Artikel zum Thema Perfektionismus
Dieser Artikel betriftt genau die Mütter unserer Zeit. Alles muß perfekt sein Kinder Mann Haushalt und im Beruf, das war einmal. Das funktioniert nicht mehr. Vorallem mit Kindern ob eines oder mehrere.
Wie Susanne so schön schreibt , man kann sie nicht „perfektionieren“.
ich bin aus dem Perfektionismus ausgestiegen und froh und glücklich darüber , aber auch gelassener und entspannter im Tag des All.
Mein Friedensmantra lautet „Ich bin wundervoll und toll“
Denn das höre ich jeden Tag ob von meinem Mann oder anderen Müttern die mich immer bewundern wie ich Kinder Haushalt und Beruf unter einem Hut bringe.
Mein Tip noch an die anderen Mütter oder die die noch welche werden wollen
– Perfektionismus ablegen und das Leben in allen Facetten geniessen, denn mit Kindern gelingt das nicht mehr.
Herzensgrüße
Anita
Liebe Anita, dann wird es bald Zeit für einen Gastbeitrag von Dir zum Thema „Aussteigerinnen“ 🙂
Es ist so schön, dass wir doch alle irgendwie sehr ähnlich sind: „Manchmal, wenn ich Ruhe oder Zeit brauche, darf Maga schon morgens eine ganze Conni-DVD mit Abspann anschauen, obwohl ich weiß, dass es bessere Beschäftigungen gibt.“ 🙂
Karin, das finde ich auch 🙂 Und dass man sich als Mama automatisch mit anderen Mamas verbunden fühlt tut auch sehr gut!
Ja so ist es, und ich hab drei Kids 🙂 Da sind die Chancen für kleinere und große Überraschungen immer recht hoch.
Sandra, ich kann mich auch noch sehr gut daran erinnern, als Nicht-Mama, wie es aussehen sollte das pãdagogisch Wertvolle Kinderleben. Von wegen Fernsehen, das geht doch gar nicht. Lange hab ich mich selbst unter Druck gesetzt. Heute kann ich mit stolz sagen, ich kann auch mal den riesen Sockenberg und die Krümmel unterm Tisch liegen lassen, und es geht mir gut dabei. Und gegen die Hello Kitty, Star Wars, Cars, Filly und wie sie alle heißen streub ich mich auch nicht mehr, es gehört heut so dazu, wie es auch für uns ein Pumuckel oder die Micky Maus gab.
Mein Friedensmantra: ich bin genug, ich tue genug
Einen schönen entspannten Sonntag 🙂
Anja
Wunderbar, Anja. Ich bin genug. Ich tue genug. Ich glaub, das können wir uns alle hinter die Ohren schreiben 🙂
Sehr schön und treffend be- und geschrieben, liebe Sandra!
Mein Tipp für alle, die trotz Deiner Tipps die Finger vom Perfektionismus nicht lassen können: Einfach noch mehr Kinder anschaffen 🙂 Dann erledigt sich das zu einem großen Teil von allein 🙂
Allen Mamas ein schönes Wochenende!!
Susanne
Hihi, Susanne, das ist wirklich ein toller Tipp mit den weiteren Kindern 🙂 Seit meine Tochter auf der Welt ist, bin ich auch noch einmal um einiges entspannter geworden in meiner Erziehung. Zwei Kids kann man einfach nicht so gut „perfektionieren“ wie eines alleine. Liebe Sandra, ein toller Artikel, vielen Dank! Vielleicht sollten wir einmal über ein Anti-Perfektionismus-Training nachdenken…
Claudia, das ist gar keine schlechte Idee! Dresscode ist dann Jogginganzug und jede darf sich von ihrer unperfektesten Seite zeigen.
Ich liebe die Ruhe der Mehrfach-Mamas, Susanne 🙂 Dir auch einen wunderschönen Sonntag!
Ich liebe Punkt eins…Einfach zulassen, dass man nicht immer „perfekt“ sein muss. Und das Kind schon gar nicht. Die Erfahrungen die man durch nicht-perfekte Aktionen macht, sind manchmal Gold wert.
Lg
Absolut Roxy, und wenn Kinder unperfekt sein dürfen, schenkt man ihnen den größten Raum für echte Entfaltung.
Liebe Sandra,
dein kleiner Beitrag heute trifft mal wieder den Nagel auf den Kopf!
Ich bin schon immer perfektionistisch veranlagt gewesen, leider! Ich habe immer sehr hohe Ansprüche an mich selbst.
Doch ab und zu kann und will ich diese einfach über Bord schmeissen und fühle mich richtig gut dabei.
Gerade gestern bin ich zu einer Freundin gefahren, die nicht gerade um die Ecke wohnt, dennoch hat sich das richtig gut angefühlt und sie hat sich gefreut!
Meine Umwelt reagiert meinst wie folgt auf meine „Aktionen“, „Hast du langeweile?“, „Du bist doch verrückt“, „gehts noch?“
Auf die Frage :warum machst du das? antworte ich meistens : weil ich es kann! 😉 mit einem Schmunzeln im Gesicht und schon sind meine kleinen Teufel verschwunden!
Mein Perfektionismus hat abgenommen seit ich mich auch mal traue aus der Reihe zu tanzen!
Und bei die Erziehung meiner Tochter bin ich auch sowas von entspannt geworden, seit ich mich klar gemacht habe, das ich sie nicht vor allem und jedem beschützen kann. Früher oder später wird auch sie, geschminkt und mit Nagellack an den Fingern durch meine Haustür maschieren.
Mein Friedensmantra was ich mir gerade überlegt habe: genieße dein Leben! Schluss mit Perfektionismus! 😉
Schönes wochenende
Stephanie
Liebe Stephanie, genau, genieße Dein Leben und mach Schluss mit Perfektionismus, juhu! Von uns Mamas hier hast Du die volle Unterstützung 🙂 Vielleicht wird sich Deine Umwelt sogar daran gewöhnen und Dich zum Vorbild nehmen!? Und „weil ich es kann!“ ist eine super Antwort!